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17. August 2012

Buntes: Etwas von Herzen machen – Helmut Leiendecker im Gespräch

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Musiker, Songwriter, Schauspieler, Autor, Regisseur. Ein Lebenslauf, den manches Hollywoodsternchen beneiden könnte. All diese Berufe vereint Lokalberümtheit Helmut Leiendecker in seiner Person. Nebenbei kann man ihn nun als weiteres Mitglied unseres 5vier.de Redax-Comics bewundern, stand er doch Modell für die Figur des Herrn Reinlich, den allzeit bereiten und um keinen Ratschlag verlegenen Hausmeister. Grund genug ein Gespräch mit ihm zu suchen.

Helmut Leiendecker traf sich mit unserer Redakteurin Stefanie Braun.

5vier.de Redakteurin Stefanie Braun traf sich mit ihm und befragte ihn nicht nur zu seiner Ansicht, was Comics und natürlich den Redax-Comic betrifft, sondern sprach auch mit ihm über sein scheinbar endloses Kreativitätspotenzial. Kann man doch nur vor Respekt erstaunen, angesichts seiner zahlreichen Projekte und Erfolge in den letzten Jahren. Da wären nicht nur die musikalischen, die er seit über 20 Jahren mit den “Leiendecker Bloas” (5vier.de berichtete) hat, sondern auch die zahlreichen ausverkauften Abende im Kleinen Volkstheater, seine Filmauftritte, so auch als Karl Marx, der den Trierern fast genauso bekannt sein dürfte, wie Leiendecker selbst. Nicht wenige träumen ihr Leben lang davon wenigstens eines dieser Ziele zu erreichen, da drängt sich schnell die Frage auf: Wie kommt man als Normalsterblicher bloß dahin? Wann entdeckte ein Helmut Leiendecker, dass er gerne mehr aus sich machen würde? Eine Frage, auf die selbst er keine genaue Antwort weiß.

Fest steht eines, bereits mit fünf Jahren entdeckte Leiendecker etwas Essenzielles an sich: Er lacht gern und viel. Und fand es umso schöner, wenn er andere dazu bewegen konnte, mit zu lachen. Nun gut, dass alleine macht einen aber noch nicht zum Allroundtalent. Sein Drang Musik zu machen war es, der ihn letztendlich auf die Bühne brachte. Bereits sein Vater und sein Großvater hatten schon immer gerne und viel getrommelt. Da die Zeiten nicht mehr zuließen, allerdings nur mit den Händen auf den Küchentisch.

Leiendecker selbst bezeichnet es als großes Glück, das er in solch friedlichen Zeiten aufwachsen konnte, in denen er seinem inneren Drang nachgehen konnte. Er lernte also Schlagzeug, mehr noch, er brannte dafür: “Wenn man sich für ein Instrument entscheidet und dafür richtig brennt, dann übt man, bis es richtig sitzt.” Dazu gehörten auch Auftritte mit verschiedenen Bands, anfangs meist Cover.

Dann kam mit Udo Lindenberg der erste deutsche Rockmusiker, es folgte eine weitere Inspiration: Bap, die mit Kölner Mundart Musik machten. Da dachte Leiendecker einen folgenschweren Satz, der ihn sein ganzes Leben lang begleiteten würde: “Das kann ich doch auch.” Zuvor hatte er schon Gedichte auf Mundart geschrieben, einen Song in selbiger zu konzipieren, konnte da nicht allzu weit hergeholt sein. Der erste Schritt in Richtung einer weitverzweigten Karriere war getan. Es folgten mehr und mehr Auftritte. Einmal auf der Bühne angekommen merkte er schnell, dass er die Leute mit noch mehr als “nur” seiner Musik unterhalten konnte.

In Aktion: "Hausmeister Reinlich"

Viel Arbeiten und vor allem viel Lachen

Das merkten auch andere, so etwa Gaby Hahn, Gründerin des Kleinen Volkstheaters. Sie holte Leiendecker aufgrund seiner Bühnenerfahrung mit ins Boot, anfangs nur mit kleinen Rollen, dann mit immer größeren. Er schrieb die eingekauften Stücke in Mundart um und merkte dabei, dass am Ende von dem eigentlichen Stück nur noch der Rote Faden übrig geblieben war und wieder kam es zu dem verhängnisvollen Gedanken: “Das kann ich doch auch selber machen.” Also schrieb er fortan auch die Stücke selbst.

Und wenn man sich schon monatelang mit der Geschichte eines Stückes beschäftigt hat, dann liegt es auch nicht fern, es gleich selbst zu inszenieren. Nicht nur dabei kommt Leiendecker eine wichtige Eigenschaft stets zu Hilfe: “Ich weiß was ich will und weiß, wie es später aussehen soll, und kann das aber auch gleichzeitig bei anderen rüberbringen, ohne diese damit zu ärgern.” Für einen hochdemokratischen Menschen wie ihn eine wichtige Sache, die Leute sollen Spaß haben, wenn sie mit ihm zusammenarbeiten. Allerdings muss die Demokratie bei der Musik und auf der Bühne zwangsläufig versagen: “Man kommt immer an den Punkt, an dem man nach links oder nach rechts gehen kann und beide Richtungen wären richtig. Trotzdem muss dann jemand das Steuer in die Hand nehmen und sagen: Ich will aber in diese Richtung gehen. Ansonsten kommt man nicht weiter.” Da kann man diskutieren, aber ab einem gewissen Punkt kann es einfach keine Demokratie mehr geben.

Leiendecker im Kleinen Volkstheater

Wer sich jetzt denkt, auf Mundart herumblödeln muss nicht unbedingt Kunst sein, dem sei gesagt, dass Herr Leiendecker sich auch durchaus an ernste Themen herantraut. So schrieb er die Tragödie “Jedermann” in Mundart um und trägt diese in einer zweieinhalb stündigen Lesung vor: “Danach bin ich ganz fertig und das Publikum auch”, lacht er. Aber da sind die Grenzen noch nicht erreicht, und solange er diese noch nicht spürt, macht er weiter. Aber wo wir gerade bei Grenzen sind, wer so viel leistet und so stark brennt für seine Arbeit, der erscheint in unserer heutigen Gesellschaft schnell vor allem als eines: Burnout-gefährdet. Sieht ein Helmut Leiendecker sich als gefährdet, wollen wir wissen.

Stress macht glücklich

Nein, denn er hat eines stets im Blick, sich seine Zeit so einzuteilen, dass er immer fertig wird, ohne Nachtschichten einlegen zu müssen; wenn er von vorneherein befürchtet, dass er nicht fertig werden könnte, dann lässt er es sein. “Ich habe gelernt, sehr schnell und auf den Punkt zu arbeiten. Wenn ich mich auf eine einzige Sache konzentrieren will, dann mache ich das auch.” Sein Stressempfinden ist durchweg positiv, mehr noch: es macht ihn glücklich. Natürlich ist auch er am Ende eines langen Tages müde, aber gleichzeitig auch froh darüber etwas gemacht zu haben, sagt er.

Liebt er seine Arbeit denn? “Wenn man glücklich darüber ist, etwas gemacht zu haben, dann muss das wohl Liebe sein.” Ein Idol, ein Vorbild hat Leiendecker nicht. Im Gegenteil. “Als kreativer Mensch muss man vieles immer wieder neu erfinden und aus sich selbst heraus schöpfen. Man hat keine Vorlage und sollte auf sich selbst vertrauen. Dabei muss man sich auch selbst immer wieder neu bewerten. Mit sich selbst zufrieden zu sein, das ist das Ziel.” In seinen Augen schauen vor allem viele junge Menschen viel zu sehr auf Gesichter und Blendwerk aus den Medien und verlieren dabei im wahrsten Sinne des Wortes die Selbstachtung.

Deshalb ist er auch, was ihn selbst anbelangt, kein Fan von Fantum, es muss alles normal und ehrlich bleiben. Schließlich muss auch ein Künstler ehrlich sein. “Ein Künstler muss ein Vorbild sein, einem schlechten Menschen kaufe ich auch seine Musik nicht ab, da wird die Musik ebenfalls schlecht. Dieser Mensch schöpft nicht aus sich, weil er es nicht ehrlich meinen kann, was er schreibt. Sondern er liefert nur eine Reihe von Worten und Tönen, die er selbst nicht fühlt.” Er hat zwar kein Vorbild, ist aber umso mehr Fan: nämlich von Leuten, die etwas von Herzen machen, die morgens für ihre Arbeit aufstehen und mit einem Lächeln zu derselbigen gehen.

Auch deshalb will er in seinem Beruf als kaufmännischer Angestellter eines Pressegroßhändlers für ein gutes Arbeitsklima sorgen. Die 50 Angestellten unter ihm sollen zufrieden auf der Arbeit sein, in einem guten Arbeitsklima schaffen. “Man darf die Welt mit ihren Problemen nicht aus den Augen verlieren, aber man kann nur an seiner Umwelt etwas aktiv gestalten und so versuchen, dass die Menschen in der eigenen Umgebung glücklich sind.”

Der Partner muss mitziehen

Leiendecker Bloas

An besonderer Stelle dabei: seine Frau. “Meine komplette Freizeit ist eigentlich verplant, da braucht es eine gute Partnerschaft. Der Partner muss mitmachen, ansonsten kann es nicht funktionieren.” Seine Frau schreibt an den Stücken mit, besucht nicht jedes aber viele seiner Konzerte, ist bei Auftritten dabei, im Gegenzug interessiert er sich für ihre Arbeit als Sozialarbeiterin, liest Bücher, spricht mit ihr, wenn’s mal hart wird. Man muss sich auch austauschen können, sagt er, es muss ein Geben und Nehmen bleiben. “Eine Partnerschaft, in der man immer gegen den Anderen arbeiten muss, ist zu anstrengend. Gerade bei kreativen Menschen geht irgendwann eines von beiden kaputt, entweder die Kreativität oder die Partnerschaft.”

Seine Frau unterstützt ihn nicht nur in seiner Arbeit, sondern toleriert auch seine heimliche Leidenschaft, die im Keller in unzähligen Bananenkisten gesammelt wird: Comics. Seit seiner frühen Kindheit schon liest, sammelt und liebt Helmut Leiendecker das bebilderte Wort. Schon damals las er alles, was ihm in die Hände kam. Ein Hobby, das später auch durch seinen Beruf gefördert wurde: “Durch meine Arbeit hatte ich immer Zugriff auf die neusten Comics.” Die realistischen, hart gezeichneten sind ihm dabei am liebsten, ganz im Gegensatz zu den japanischen Mangas. “Die waren mir meistens nicht realistisch oder nicht lustig genug und allein schon, wenn die Bildabfolge nicht klar ist, macht mir das Lesen keinen Spaß mehr.” Mittlerweile muss sein Hobby etwas zurückstecken, es gibt zwar Einiges, was er nach wie vor gerne liest, aber meistens fehlt einfach die Zeit.

Von seinem Auftreten in unserem Redax-Comic verspricht Leiendecker sich eine Auflockerung und eine tiefere Verbundenheit mit Trier und seinem besonderen Dialekt. “Solltet ihr Mal ein Thema oder eine Geschichte brauchen, könnt ihr gerne an mich herantreten. Ich überleg mir dann was.” Allerdings nur, wenn sein voller Terminkalender das zu lässt.

 


 


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